Vorgestellt von Carolyn Beasley 


Kurz vor der Küste tanzen winzige Wellen im Mondlicht um einen Felsen. Plötzlich macht der runde Klotz einen Satz nach vorne, dann noch einen. Der Stein entpuppt sich als ausgewachsene weibliche Suppenschildkröte, die ihre 150 kg Körpergewicht an Land schleppt. Mühevoll arbeitet sie sich höher auf den Sandstrand und hinterlässt dabei auf der Suche nach einem geeigneten Nistplatz eine traktorähnliche Spur. Ihr eingebautes GPS hat sie zurück zum Ningaloo Reef (Nyinggulu) geführt, wahrscheinlich an den selben Strand, an dem sie vor mehreren Jahrzehnten selbst aus dem Ei schlüpfte.

Der Sand fliegt in alle Richtungen, während sie mit ihren Brustflossen beginnt, ein Loch zu graben. Danach hebt sie mit den hinteren Flossen die Eikammer aus. Sobald sie diese für tauglich hält, beginnt sie mit der Ablage von ungefähr 115 Eiern, die die Größe von Tischtennisbällen haben. Erschöpft von der Anstrengung begibt sie sich anschließend zurück ins Meer.


Luftaufnahme von Meeresschildkröten auf dem Weg an den Strand am Ningaloo Reef

Meeresschildkröten auf dem Weg an den Strand, Ningaloo Reef, CJ Maddock


Von November bis März spielt sich dieses Schauspiel am Ningaloo Reef Nacht für Nacht ab. Menschen, die das Glück haben, dieses Naturwunder mit eigenen Augen zu erleben, zehren noch lange von diesem unvergesslichen Schauspiel. Die größte Chance auf eine Begegnung mit diesen Meereslebewesen haben Sie bei der Teilnahme an einer sachkundig geführten Tour.

In der Turtle Nesting Season bietet Exmouth Adventure Co. eine Summer Sunset Turtle Watching Tour an. Nach der Busfahrt von Exmouth genießen die Gäste Drinks im Abendrot am Strand, während ihr Tourleiter die Schutzmaßnahmen für Meeresschildkröten aus dem Verhaltenskodex Turtle Watching Code of Practice erläutert, der vom Department of Biodiversity, Conservation and Attractions (DBCA) ausgearbeitet wurde.

„Absolut wichtig ist es, dass kein künstliches Licht scheint“, erklärt Tourguide Neri Grieve. „Lassen Sie Ihren Augen genügend Zeit, sich an das natürliche Licht zu gewöhnen. Hier am Ningaloo Reef haben wir das Glück, dass der Nachthimmel meistens wunderbar klar ist.“

Leise warten die Besucher an der Wasserkante darauf, dass eine weibliche Schildkröte zur Eiablage an Land kommt. Meeresschildkröten sehen an Land schlecht und kriechen so manchmal direkt an den ganz still dastehenden Beobachtern vorbei.


Unterwasseraufnahme einer Person, die über einer Meeresschildkröte am Ningaloo Reef schnorchelt

Schwimmende Meeresschildkröte, Ningaloo Reef 


„In so einem Fall können wir nur sagen: 'Luft anhalten, hinsetzen und tun, als ob man ein Fels wäre'“, lacht Neri Grieve.

Sobald der Guide sicher ist, dass die Meeresschildkröte mit der Eiablage begonnen hat, dürfen die Besucher auf seine Aufforderung hin vorsichtig von hinten an das Tier heranrobben und zusehen, wie die weichen Eier in das sandige Nest plumpsen.

Ungefähr 60 Tage später kann man Zeuge des wohl putzigsten Exodus der Natur werden. Die frisch geschlüpften Babyschildkröten kämpfen sich aus dem Sandnest und machen sich von der Natur vorprogrammiert unverzüglich auf den Weg über den Strand zum Meer. Es kommt vor, dass sie dabei auf nichtsahnende Strandbesucher stoßen.

„Vielleicht sitzen Sie gerade am Strand und bewundern den Sonnenuntergang. Da sehen Sie aus dem Augenwinkel etwas, das sich am Strand auf Sie zu bewegt“, erzählt Neri Grieve. „Manchmal schlüpfen die Schildkrötenbabys in großer Zahl, stolpern und fallen übereinander, bevor sie sich auf dem schnellsten Weg in Richtung Wasser machen.“

Neri Grieve erklärt, dass die Winzlinge vom Licht, das auf dem Meer reflektiert, angezogen werden. Daher dürfen auf keinen Fall Taschenlampen oder andere Lichtquellen am Strand verwendet werden, da die Tiere so ihre Orientierung verlieren würden. Auch das Berühren der Meeresschildkröten ist störend und die frisch Geschlüpften müssen ihren Weg über den Strand bis zum Meer unbedingt selbst zurücklegen, denn damit wird der Grundstein für ihr Navigationssystem gelegt, das sie später als erwachsene Tiere benötigen.

Auch außerhalb der Nistzeit können Sie in den flachen Lagunen Meeresschildkröten sehen. Wenn Sie Meeresschildkröten beim Schwimmen beobachten möchten, können Sie sich einer halbtägigen Sea Kayak and Snorkel Tour von Exmouth Adventure Co. in der tierreichen Bundegi Nature Reserve anschließen.


Luftaufnahme von Kajakfahrern bei einer Tour mit Exmouth Adventure Co. in Exmouth

Exmouth Adventure Co., Exmouth


Genau wie Menschen haben auch Meeresschildkröten ab und zu gesundheitliche Probleme. In einigen Fällen kann das Ningaloo Aquarium and Discovery Centre in Exmouth den Tieren helfen. Aquarianerin Shania Bolen erklärt, dass in dem angeschlossenen Rehabilitationszentrum bis zu vier Meeresschildkröten gepflegt werden können. Sie hofft, im Laufe der nächsten Monate informative Touren anbieten zu können.

Bei den im Zentrum gepflegten Meeresschildkröten handelt es sich zum größten Teil um Suppenschildkröten, zu den Patienten zählen jedoch auch die ein oder andere Unechte Karettschildkröte oder vom Aussterben bedrohte Echte Karettschildkröte. Die Tiere haben zum Beispiel Verletzungen an den Flossen, leiden an inneren Parasiten oder dem „Floater Syndrome“, bei dem die Tiere nicht abtauchen können.

„Spannend sind unsere Gemeindeveranstaltungen, die wir zur Entlassung jedes Patienten in die Natur organisieren“, so Shania. „Es ist ein unbeschreiblich tolles Gefühl zuzusehen, wie die Tiere in ihre Freiheit hinausschwimmen. Da stehen einem schon einmal Tränen in den Augen.“

Fragen Sie im Ningaloo Aquarium und Discovery Centre, ob eine Entlassung einer Meeresschildkröte ins Meer bevorsteht. Das Zentrum nimmt zudem Buchungen für Eco-Education Touren des Jurabi Turtle Centre entgegen, die DBCA von Dezember bis März anbietet. Shania Bolen ist eine der Tourguides und fügt hinzu, dass die Teilnehmenden ein magisches Erlebnis erwartet.


Sonnenuntergang an einem Strand in der Coral Bay

Strand in der Coral Bay


“„Im Februar sind die Chance am größten, schlüpfende Meeresschildkröten zu sehen“, erläutert Shania Bolen. „Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass wir sie jede Nacht sehen werden. Bei Sonnenuntergang haben wir den Strand im Allgemeinen für uns und die Tiere tauchen plötzlich um uns herum auf. Ich glaube, dieses Erlebnis lässt sich mit nichts anderem vergleichen.“


Veröffentlicht im Januar 2024.